In den ersten vier Schuljahren war Frau Lehmann unsere fürsorgliche beschützende Klassenlehrerin. Doch sie korrigierte auch unsere Diktate.
Es gab also Feedback – mit einem roten Stift. Es gab richtig und falsch. Und falsch war rot. Das hiess: Viel rot, viel falsch.
Fühlt sich nicht so gut an, oder?
Und heute? Wenn wir agil und selbstorganisiert arbeiten wollen, gehört der konstruktive Umgang mit Fehlern zu unserem Alltag. Doch wer von uns lebt (und liebt) das schon?
Aus meiner Erfahrung versuchen wir viele Krücken – die sich am Ende doch eher nach Frau Lehmann’s rotem Stift anfühlen. Ich selbst habe vieles ausprobiert und das meiste hat uns nicht geholfen, unser «Das ist richtig!» und «Das ist falsch!» in wirklich neue Bahnen zu lenken.
Und selbst das wunderbare «Rot-Grün-Feedback» hat zwar im zweiten grünen Teil, viel Positives zu sagen, jedoch auch wieder Rot – Alarm – Nicht richtig – Falsch drin! Zum Glück wird hier erst das zu Verändernde benannt! Denn wenn ich das endlich «hinter mir» habe, dann kann ich wenigstens das Lob in Ruhe geniessen.
Meistens sagen wir ja erst etwas Positives, bevor wir uns kritisch äussern. Aus meiner Sicht ist das der Versuch, mein Gegenüber für meine Kritik (versteckt hinter «Feedback») freundlich zu stimmen. Oft erlebe ich in diesen Situationen, dass nun gar nichts mehr beim Feedbacknehmenden ankommt: Vor lauter nervösem Warten, auf das, was jetzt wohl gleich an Negativem kommt, zieht das wertschätzende Feedback meistens ungehört vorbei.
Heute nutze ich Feedback-Kategorien einer ganz anderen Art:
«Hin zu…» und «Weiter so!»
Bei «Hin zu» beschreibe ich als Feedbackgeberin, das, wie es AUCH anders sein könnte. Ich bewerte nicht. Ich gebe Handlungsalternativen mit. Es ist alles erlaubt, was unterstützt und das – gemeinsame – Lernen fördert. Das, was mir «nicht gefallen hat», wird dabei bewusst nicht formuliert. Stattdessen gibt es direkt den Fokus auf weitere Optionen und Lösungen.
Hier ein «Hin zu…» Beispiel von letzter Woche: «Wenn du mit den Teilnehmenden Augenkontakt bei deinem Referat hältst, bin ich stärker bei dir und mit dem Thema verbunden» (anstatt «Du hast die ganze Zeit auf den Boden geschaut»)
Und «Weiter so!» erklärt sich von selbst: Ich beschreibe das, was aus meiner Perspektive unbedingt genau so bleiben darf! Weiter so! Und was uns im Team vielleicht sogar als «good practice» dienen kann.
Ein «Weiter so!» Beispiel von letzter Woche: «Meine Aufmerksamkeit war zu 100% bei dir. Deine Sprache, deine Lautstärke und dein Tempo waren genau richtig!» (anstatt «…war gut für mich…»)
Und dann haben wir:
{Beschreiben + Wertschätzende Handlungsoptionen + Positives stärken} – bewertendes Fingerpointing = Freudvolles gemeinsames Lernen im Team
In so einem kleinen Ding wie dem Feedforward könnte sich also ein grosser Einfluss auf unsere gelebte Fehlerkultur im Team verstecken. Verrückt, gell? Habe ich selber gerade wieder erleben dürfen.
Neugierige Grüsse,
Was sind deine Gedanken und Erfahrungen? Lass es mich wissen und wir bleiben im Gespräch: franziska.gottschalk(at)all-dimensions.com